Das Erprobungssystem - zielorientierte Planung

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Puck und Mogli hängen Bilder auf

Das Ziel der WiWö

Jedes Kind hat am Ende seiner WiWö-Zeit

  • seine individuellen Fähigkeiten entdeckt.
  • diese weiterentwickelt und sie für sich und die Gemeinschaft eingesetzt.
  • seine kindliche Phantasie erlebt und entwickelt.

Jedes Kind kann am Ende seiner WiWö Zeit

  • zwischen dieser Phantasie und der Wirklichkeit unterscheiden.
  • sich in einer Gemeinschaft von Gleichaltrigen zurechtfinden.
  • sich seine eigene Meinung bilden und sie Anderen gegenüber vertreten.


Das Erprobungssystem als Gesamtkonzept

Puck sitzend
Unter Erprobungssystem verstehen wir das Gesamtkonzept der kleinen Schritte durch das WiWö-Leben, die jedes Kind machen soll, um das Stufenziel zu erreichen.


Nein, aber einfacher. Schau dir mal folgenden Satz an: "Ich kenne einige Bodenzeichen und kann einer Spur folgen." Das ist ein Erprobungspunkt, ein einfacher Satz, in dem einfach ein Teilziel beschrieben wird auf dem langen Weg durch die WiWö-Zeit. Gleichzeitig sagt dir dieser Satz aber genau, was deine WiWö können oder erlebt haben sollen und was du somit im Programm einbauen musst. Und noch etwas: Das Konzept wurde so erarbeitet, dass es auf alle acht Schwerpunkte (und ihre Ziele) gleichermaßen Rücksicht nimmt und du dich darum nicht mehr zu kümmern brauchst.

Im Erprobungssystem findest du also alle jene Inhalte, die dazu nötig sind, dass ein WiWö das Stufenziel mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht.

Natürlich ist es nicht sinnvoll, alles gleichzeitig zu lernen. Darum ist das Erprobungssystem in den Weg zum Versprechen, den Weg zum ersten und zweiten Stern und den Spezialabzeichen aufgeteilt. Diese vier Teile bauen aufeinander auf. Auch auf die ganzheitliche Erziehung nimmt das Erprobungssystem Rücksicht. Von den Schlagwörtern Herz – Hirn – Hand hast du ja schon gehört. Du erkennst das auch an den Formulierungen:

  • Ich mag/habe erlebt ... verweist auf das Herz
  • Ich weiß ... verweist auf das Hirn
  • Ich kann ... verweist auf die Hand

Der Weg durch das WiWö-Leben

Ein neues Kind, wir sagen manchmal auch "Neuling", soll in der "Schnupperstunde" möglichst sofort überall mitmachen. Nach einem herzlichen Willkommen geht’s gleich los! Der Sinn dahinter ist, dass der erste Kontakt über diese lustige, aufregende Gemeinschaft laufen soll, die interessante Sachen macht. Jemand vom Führungsteam achtet besonders auf dieses Kind und führt am Ende ein kurzes Gespräch mit ihm. Kommt es wieder, beginnt die "Vorstellzeit", der Weg zum Versprechen. Hier soll das Kind die Gemeinschaft und ihre Regeln kennenlernen und Vertrauen gewinnen. Hier begegnet es zum ersten Mal unserem Arbeitsbuch "Der Wichtel-Wölflingsweg". Die ersten Seiten, "Dein Weg zum Versprechen", haben jeweils ein buntes Eckerl. Diese Eckerl können zu einem Bild auf der Versprechensurkunde zusammenklebt werden – und zwar immer dann, wenn das Kind die jeweilige Aufgabe erfüllt hat oder wenn ihm etwas erklärt wurde. Nach Abschluss der Versprechensvorbereitung und mindestens drei Monaten in der Gemeinschaft der Meute/des Volkes kann das Neuling das Versprechen geben. Das geschieht in einer feierlichen Zeremonie. Mit dem Weg zum ersten Stern beginnt die inhaltliche Arbeit. Das Wi/der Wö bekommt seine erste Erprobungskarte und erhält somit einen Überblick über das, was ihn/sie in nächster Zeit erwarten wird. Nach dem nächsten halben Jahr kann das Kind den 1. Stern verliehen bekommen. Auch das geschieht in einer Zeremonie. Anschließend besteht die Möglichkeit, zwei Spezialabzeichen zu machen. Diese Beschränkung rührt daher, dass das Kind erst einmal seine allgemeine Ausbildung (Weg zum zweiten Stern) abschließen soll, bevor es sich weiter spezialisiert. Im Weg zum zweiten Stern wird die inhaltliche Arbeit vertieft – dafür gibt es wieder eine neue Erprobungskarte. Nach frühestens einem weiteren halben Jahr folgt die Verleihung des 2. Sterns. Nun können mit den Spezialabzeichen die individuellen Fähigkeiten des Kindes gefördert werden. Dazu gibt es ein – speziell an die Kinder gerichtetes - Büchlein "Unsere Spezialabzeichen". Besondere Auszeichnungen (Tausendsassa, SpezialistIn, Tanzendes Wichtel/Springender Wolf) sollen das Interesse am Weiterarbeiten wecken. Mit ungefähr 10 Jahren – meist mit dem Schulaustritt aus der Volksschule – werden die WiWö zu den Guides/Spähern überstellt. Diese Überstellung soll ein klarer Abschlusspunkt für die WiWö-Zeit und daher gut vorbereitet sein, um den WiWö die Angst vor dem Wechsel in die andere Stufe zu nehmen.

Siehe auch: Der Weg durch das WiWö-Leben.


Individuelles Erprobungssystem

Natürlich sind Kinder verschieden! Jedes Kind ist eine eigene kleine Persönlichkeit und jedes Kind ist anders. Trotzdem gibt es eine allgemeine Tendenz in der Entwicklung eines Kindes und darauf baut das Erprobungssystem auf. Die Erfahrungen, die ein Kind macht und der Fortschritt in seinem Weg durch das WiWö-Leben sind grundsätzlich aber ganz individuell, auch wenn das Programm im Volk/in der Meute passiert.

In deiner Verantwortung liegt es nun
  • den jeweiligen persönlichen (Fort-)Schritt zu beurteilen, der bei jedem Kind ganz wo anders liegen kann.
  • die Kinder als "Fachleute" einzubeziehen, denn sie können selbst am besten beurteilen, was sie wissen/nicht wissen, was sie fühlen, was sie freut oder was ihnen Angst macht, was sie schon können oder noch üben wollen.
  • die Kinder weder zu viel noch zu wenig zu fordern, weil sie sonst das Interesse und die Motivation verlieren.
  • dein Programm so auszulegen, dass trotzdem jedes Kind den zweiten Stern erreichen kann.

Das erfordert persönlichen Einsatz, Zeit und Geduld und ein Eingehen auf jedes einzelne Kind.

Tipp: Auch aus diesen Gründen bietet es sich hin und wieder an, die Ringe und Rudel aufzulösen und Kleingruppen von WiWö zu bilden, die ungefähr "gleich weit" auf ihrem WiWö-Weg sind. Du kannst dann viel leichter Inhalte vom Versprechen, dem ersten und zweiten Stern gleichzeitig in dein Programm einbauen. Im Idealfall kannst du das Programm so abstimmen, dass sich die Kleingruppen ergänzen – z.B. die WiWö auf dem Weg zum ersten Stern bereiten ein Theaterstück vor, aus dessen Inhalt die WiWö auf dem Weg zum Versprechen etwas Neues lernen. Die WiWö auf dem Weg zum zweiten Stern gestalten dazu die Dekorationen und/oder führen Regie. Voraussetzung dazu ist natürlich, dass jede Kleingruppe einzeln betreut werden kann. Solltet ihr dazu nicht genug Personen im Leitungsteam haben, könnt ihr euch ja vielleicht mal jemanden extra dafür einladen.

Das System unserer Spezialabzeichen ist auch als Hilfe gedacht, um jedes Kind individuell zu fördern. Dabei sollen die WiWö ermutigt werden, vorhandene Fertigkeiten und Interessen zu entwickeln und neue herauszufinden. Die WiWö sollen die Entscheidung zu einem "Spezi" aber unbedingt selbst treffen. Das entsprechende Büchlein ist ganz darauf abgestimmt, dass die WiWö selbst entscheiden können, welche Dinge sie vertiefen oder kennenlernen wollen. Durch diese Beschäftigung mit ganz persönlichen Interessen steigt ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, ganz besonders wenn sie durch die Verleihung des entsprechenden Abzeichens noch "geehrt" werden.

Das Erprobungssystem bietet also jedem Kind die Möglichkeit
  • im Rahmen seiner Fähigkeiten weiterzukommen (Versprechen, 1.Stern, 2.Stern)
  • individuell gestaltete Erprobungen in einem thematisch weitverzweigtem Rahmen abzulegen (Acht Schwerpunkte)
  • seine besonderen Interessen und Fähigkeiten zu nützen und zu beweisen (Spezialabzeichen).


Erprobungssystem – ein Muss?

Immer wieder werden wir im Bundesverband darauf angesprochen, ob sich alle WiWö-LeiterInnen an das "offizielle" Erprobungssystem halten müssen.

Grundsätzlich sehen wir das Erprobungssystem der WiWö als Vorschlagkonzept – für dich als Hilfe und Unterstützung - um das Stufenziel zu erreichen. Viele Leute aus vielen Bundesländern haben daran gearbeitet und all ihre Erfahrung und ihr Wissen einfließen lassen. Wie du gesehen hast, berücksichtigt es alle Schwerpunkte gleichermaßen und garantiert eine ganzheitliche Erziehung. Ein Vorschlag beinhaltet aber automatisch, dass du natürlich die Möglichkeit hast, ein eigenes, individuelles Erprobungssystem für deine WiWö zu entwickeln. Wir glauben aber, dass das einen immensen Aufwand bedeuten würde, alle oben genannten Punkte zu bedenken und dass es wirklich nicht notwendig ist, das "Rad immer wieder neu zu erfinden", wenn es ein gutes und funktionierendes System gibt. Außerdem braucht es ja schon genug Zeit in der WiWö-Arbeit immer wieder neue, fetzige, kreative Methoden zu entwickeln.

Wir wissen, dass es gruppenindividuelle Erprobungskarten gibt und akzeptieren das solange sie sich am Stufenziel, den acht Schwerpunkten und einer ganzheitlichen Erziehung orientieren. Falls du ein solches verwendest, überprüfe doch bitte, ob es all diesen Kriterien entspricht.


Die Umsetzung und Überprüfung des Erprobungssystems

Der Grundgedanke ist eigentlich ganz einfach: Du musst den WiWö die Gelegenheit bieten, alle Erprobungspunkte, die ihnen fehlen "ablegen" zu können, d.h. alle diese Inhalte müssen in das Programm (der Heimstunden und Aktivitäten oder des Lagers) eingebaut werden. Dass das auch bei jedem Erprobungspunkt wirklich möglich ist, zeigen wir dir im Teil B dieses Behelfes. Er besteht aus konkreten Vorschlägen, wie du den jeweiligen Erprobungspunkt in die Praxis umsetzen kannst. Das ist besonders am Anfang nicht leicht. Wie du grundsätzlich längerfristig planst, erfährst du später in diesem Kapitel – hier geht es jetzt noch um einzelne Erprobungen.

Tipp: Vom Ziel zur Methode

Ein Ziel ist ein Endzustand, den ich erreichen will. "Ich erkenne die Wappen der Bundesländer." wäre z.B. ein kleines Teilziel auf dem Weg zu unserem Stufenziel. Eine Methode ist eine Vorgangsweise, um ein vorher festgelegtes Ziel zu erreichen. Meistens gibt es mehrere Methoden, ein Ziel zu erreichen. "Wappen erkennen" kann ich durch ein Memory, durch ein Brettspiel, durch selber zeichnen oder malen, durch ein Quartett, durch Bilder, Dias oder richtige Wappen anschauen, durch ein Autokennzeichenquiz und und und ... vermitteln.

Grundsätzlich gilt
  • Alles, wo WiWö persönlich einen Standpunkt beziehen oder Gefühle entwickeln sollen, müssen sie erlebt haben. (Herz)
  • Alles, was sie wissen sollen, müssen sie erfahren haben. (Hirn)
  • Alles, was sie können sollen, müssen sie ausprobieren und üben können. (Hand)

Wenn du das berücksichtigst, arbeitest du ganz nach dem PfadfinderInnengrundsatz "learning by doing".

Kinder haben es gerne, wenn ...

  • ein Klima herrscht das durch Offenheit, Verständnis und gegenseitige Achtung gekennzeichnet ist.
  • Lernen spielerisch passiert.
  • sie sich so viel wie möglich aktiv beteiligen können.
  • möglichst viele Sinne angesprochen werden.
  • du viele verschiedene Methoden verwendest.
  • Lernschritte in kleinen, logisch aufeinanderfolgenden Einheiten aufgebaut sind.
  • sie neue Information mit Bekanntem, mit vorhandener Erfahrung verknüpfen können.
  • sie herausgefordert werden. Wenn sie unterfordert sind, wird ihnen nämlich langweilig, bei Überforderung verlieren sie überhaupt das Interesse.
  • sie sich in Geschichten hineinversetzen können.

Darum vermeide, wenn möglich ...

  • lange Vorträge, weil Kinder sich nicht lange konzentrieren können.
  • Methoden des "klassischen Schulunterrichts" wie Diktate oder Hausaufgaben.


Überprüfung des Erprobungssystems

Manche Erprobungspunkte sind schon dadurch "erledigt", dass die WiWö am gemeinsamen Programm einfach teilnehmen. Notiere dir das am Ende der jeweiligen Aktivität, damit du es den Kindern bei Gelegenheit in ihrer Erprobungskarte bestätigen kannst. (Sie sind dann oft ganz überrascht, was sie in der Zwischenzeit alles "abgelegt" haben.) Manche Dinge musst du mit den Kindern sicher mehrmals üben und wiederholen, damit du es unterschreiben kannst.

Grundsätzlich bewertest du mit deiner Bestätigung meist eine unmessbare Größe.

Wissensinhalte mit Tests oder durch Abfragen zu prüfen – so etwas ist nämlich dem PfadfinderInnengedanken völlig fremd. Die einzige Ausnahme stellen "spielerische Überprüfungen" dar – du verpackst die Erprobung in ein Spiel und kannst damit sehen, wer schon was kann. Uns geht es nämlich vor allem darum, die persönliche Entwicklung des Kindes zu bewerten bzw. einzuschätzen. Das ist aber sicher ein ganz individueller Prozess, der für jedes Kind anders aussieht. Das meiste, was du beurteilen sollst, wirst du also durch genaue Beobachtung und Einschätzung erkennen müssen – und das ist etwas, was ständig passieren soll. Ziehe bitte keine Schlüsse aus Einzelaktionen, die zufällig sein können. Um gute Wertungen über andere Menschen abgeben zu können, müssen wir sie gut kennen, ihnen zuschauen, ihnen zuhören und mit ihnen eine Beziehung aufbauen.

Beobachtung braucht Zeit und Geduld. Gib deinen WiWö die Chance, sich in einer stressfreien Umgebung zu bewegen, wo sie Zeit zum Reden haben und du Zeit zum Zuhören hast.

Das wiederum braucht das entsprechende "Umfeld": Schaffe eine gute Atmosphäre, einen angstfreien Raum, wo auch Fehler passieren dürfen. Biete deinen Kindern ein interessantes Programm als Anregung zum Mitmachen. Versuche, eine gute Beziehung zu deinen WiWö aufzubauen, damit sie auch Vertrauen zu dir haben.

Bewerten und einschätzen heißt aber auch Begleiten, Unterstützen, Ermutigen und Korrigieren. Sage das Richtige zum richtigen Zeitpunkt. Begegne den WiWö mit Respekt und erspare dir negative Kritik oder gar Spott. Wenn du ihr Selbstbewusstsein stärken willst, funktioniert das wesentlich besser, indem du sie lobst bzw. Fehler möglichst sachlich aufzeigst.

Bedenke immer, dass es ein Privileg ist, ein Kind auf seinem Entwicklungsprozess zu begleiten und dass du damit Verantwortung für deine WiWö übernimmst.

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